Chronik

Die ersten Jahre des Heimatvereins Pillersee

Die Region Pillersee, im äußersten Osten Nordtirols gelegen, umfasst historisch gesehen die politischen Gemeinden Fieberbrunn, Hochfilzen, St. Jakob in Haus und St. Ulrich am Pillersee. Diese bestehen selbständig erst seit 1833 und sind hervorgegangen aus der alten Viertelgemeinde bzw. der uralten Hofmark Pillersee des bayrischen Klosters Rott am Inn, die bis 1803 bestand.
Diese gewachsenen Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge verschwanden leider mehr und mehr aus dem alltäglichen Bewusstsein der Bevölkerung. Erst durch den aktuellen Zusammenschluss von Tourismusverbänden und die Bildung einer Leader-Region im Rahmen der EU-Förderung gewann die geschichtlich gewachsene Region, „das alte Pillersee“, für ihre Bewohner „die Pillerseer“ neue Bedeutung.
Im Jahre 1998 verfolgte eine Gruppe von historisch, volks- und heimatkundlich interessierten Proponenten die Idee, einen „Heimatverein Pillersee“ ins Leben zu rufen. Diese Idee wurde von Anfang an von den beteiligten Gemeinden und deren politischen Vertretern (Bürgermeistern, Kulturrefertenten, Gemeinderäten) tatkräftig unterstützt und finanziell gefördert.

Als Ziele gemäß Vereinsstatut formulierten die Gründer folgende Punkte:

Entwicklung und Pflege des Zusammengehörigkeitsgefühls der Bevölkerung aufgrund der gemeinsamen Geschichte;
Sammlung und Erhaltung von Kulturgütern jeder Art;
Verbreitung und Förderung des kulturellen, heimatkundlichen Bewusstseins;
Pflege und Erforschung des regionalen Brauchtums;
Denkmalschutz und Denkmalpflege;
Archivierung und Pflege des Chronikwesens;
Veranstaltung von heimatkundlichen Bildungsausflügen, Versammlungen, Vorträgen und Ausstellungen.


In den ersten Jahren wurde vom Heimatverein Pillersee rege Tätigkeit in allen vier Gemeinden entfaltet. Die Mitgliederzahl stieg auf ca. 260, das Interesse der Bevölkerung ist lebendig. Immer wieder werden auch von außen Anregungen und Hinweise gegeben sowie Sammelobjekte zur Sicherung in unsere Archive gebracht. Allerdings muss auch eingeräumt werden, dass die konkrete Arbeit in organisatorischen, technischen und konservatorischen Belangen von einem relativ kleinen Personenkreis, einem „harten Kern“ geleistet wird!
Aus der großen Zahl von Projekten und Aktivitäten, die bisher verwirklicht wurden, seien nur einige exemplarische Beispiele herausgegriffen:

Lebendiges Volkstum:
Seit etwa 500 Jahren wird von den Pillerseern aus allen vier Kreuztrachten der „Adolari-Bittgang“ am 8. Mai durchgeführt. Wie viele andere Bittgänge drohte auch dieser „einzuschlafen“. Nur mehr wenige ältere Personen fuhren mit einem Bus nach St. Ulrich und gingen zur Filialkirche des hl. Adolar. Inzwischen hat der Heimatverein die organisatorische Aufgabe übernommen, den uralten Bittgang neu zu beleben. Von allen vier Pfarrkirchen wandern die Bittgänger um den 8. Mai in aller Herrgottsfrühe aus verschiedenen Richtungen nach St. Ulrich und vereinigen sich dort zu einer hunderte Beter zählenden Prozession. In St.
Adolari wird eine hl. Messe gefeiert, von verschiedenen Chören und Bläsern aus den Pillerseegemeinden festlich umrahmt, und um Schutz für die gemeinsame Heimat gebetet.

Der Adolari-Bittgang der Pillerseer ist ein positives Beispiel dafür, dass auch uraltes religiöses Brauchtum in zeitgemäßer Form wieder verlebendigt werden kann.

Denkmalschutz:
Besonders erfolgreich war der Verein im Denkmalschutz. In sechs Jahren konnten über 10 Projekte selbst durchgeführt, angeregt oder beratend und finanziell unterstützt werden. Natürlich achten wird darauf, dass alle Arbeiten in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt realisiert werden. Als Beispiel für ein Kulturdenkmal, das überhaupt verschwunden war, sei die „Türkensäule“ beim Hammerwirt in der Hütte (heute Rosenegg) angeführt. Sie diente zum Anbinden der Pferdefuhrwerke, deren Rossinger beim Hammerwirt einkehrten. Die Säule wird von einer martialischen Türkenfigur gekrönt, deren volkskundliche Bedeutung noch nicht geklärt ist. Diese wurde nach Entfernung der Säule in den 60-er Jahren Gott sei Dank vom Besitzer aufbewahrt. Sie wurde auf Kosten des Heimatvereins restauriert und wieder an ihren Platz gesetzt. Viele Nachbarn halfen mit. Ein kleines gemütliches Festl gab den Rahmen für die Wiedererrichtung.
Darüber hinaus wurden einige Kapellen restauriert, eine alte Knappenfahne gerettet und die Fahnenblätter restauriert. Dazu kommen noch Bildstöcke, Statuen usw. Besonders wichtig war der Rückkauf einer Urkunde des 14. Jahrhunderts über die Pfarrkirche St. Jakob aus Privatbesitz mit Mitteln des Heimatvereins.

Ausstellungen / Präsentationen:
Nahezu jährlich wurde bisher vom Verein eine Ausstellung präsentiert:
Pillersee in alten Ansichten (Foto-Wanderausstellung für vier Gemeinden)
Max Porsche – Bildberichter
Damit es nicht verloren geht – Aus dem Archiv der Marktgemeinde Fieberbrunn
Sepp Schwarz: Grafiken – Bilder – Holzschnitte. ein Künstler mit Fieberbrunner Wurzeln
Präsentation eines Buches: „Der andere Krieg. Tiroler Heimatfront im Ersten Weltkrieg“ von Oswald Überegger und Matthias Rettenwander.


Publikationen:
Durch Mitarbeiter des Heimatvereins wurden uns die Jugenderinnerungen des Fieberbrunners Hans Schwaiger (vulgo Rohr-Hansei) vorgelegt. Sie wurden von uns redigiert, mit Fotomaterial versehen und herausgebracht. Sie sind heute ein wichtiges zeitgeschichtliches Dokument, das vom Heimatverein in drei Auflagen erfolgreich vertrieben wurde.
Seit zwei Jahren wird eine eigene Zeitschrift als Vereinsorgan herausgebracht, die „Kammberg-Schriften“. Sie enthalten geschichtlich fundierte Beiträge aus der Vergangenheit und Zeitgeschichte des Pillersee.
In letzter Minute gelang es einer engagierten Mitarbeiterin des Heimatvereins, 2 CD-Tonträger mit Originalaufnahmen alter Lieder, gesungen von heute nicht mehr existenten Gruppen und altem Liedgut aufzunehmen und herauszubringen.

Flachsprojekt:
Bis in die 50-er Jahre war der Flachsanbau ein wichtiger bäuerlicher Wirtschaftszweig in Pillersee. Der Heimatverein wollte ein uraltes Arbeitsverfahren noch einmal lebendig machen. In St. Ulrich a. P. wurde eine halbverfallene „Brechlstube“ beim Haslingbauern gefunden, restauriert und zu einem kleinen Flachsmuseum ausgestaltet. Mit engagierter Hilfe der Fleckner Bauern wurde Flachs angebaut, gebrechelt und verarbeitet. Ein Film, gestaltet von einem Mitglied des Heimatvereins, begleitete und schloss das Projekt ab. Hier wurde eine Idealintention des Heimatvereins Pillersee, nämlich die aktive Mitarbeit und Teilnahme vieler Menschen aus der Bevölkerung am besten erreicht.

Projekt Beschilderung:
Von Anfang an bestand der Plan, historisch bedeutsame Gebäude in der alten Hofmark Pillersee mit gefälligen Schildern samt erklärenden Kurztexten zu versehen. Inzwischen ist die Aktion abgeschlossen. Auf Wunsch der Gemeinden wurde das Projekt auch auf alle Bauernhöfe der Region ausgedehnt. Die Arbeit besorgte der Heimatverein, die Finanzierung erfolgte über die Gemeinden und ein EU-Projekt.

Chronikwesen:
Die Sammeltätigkeit für Chroniken aus Vergangenheit und Gegenwart zählt zu den Kernaufgaben des Heimatvereins. Fragmentarische Ansätze in kleinerem oder größerem Umfang waren in unseren vier Gemeinden schon vorhanden. Für die Marktgemeinde ist das Chronikwesen, betreut von einem Team des Heimatvereins, weitgehend ausgereift, umfasst eine große Fotosammlung, eine Sammlung von Andenkenbildern, Dokumente aus der Bergbau- und Gemeindegeschichte u.v.a. Auch eine aktuelle Gemeindechronik wird nun geführt.
In Hochfilzen besteht eine umfangreiche, sehr gut geordnete Bildchronik, eine Gemeindechronik wird ebenfalls geführt. In St. Jakob und St. Ulrich ist der Heimatverein Pillersee dabei, Chronistenteams zu gründen und Aufbauarbeit zu leisten.

Projekt Zeitzeugen:
Die Befragung von Zeitzeugen und die Aufnahme der Informationen durch Tonträger und Video wird seit Jahren betrieben und fortgesetzt.

Aufbau einer kleinen Pillersee-Bibliothek:
Im Büro für das Chronikwesen der Marktgemeinde Fieberbrunn besteht bereits der Kern einer kleinen Pillersee-Bibliothek. In ihr werden möglichst alle Publikationen, die das Vereinsgebiet betreffen, gesammelt. Sie steht interessierten Mitgliedern, aber auch allen anderen Bürgern oder wissenschaftlichen Nutzern zur Verfügung.
Wenn die engeren Mitarbeiter des Heimatvereins Pillersee ihre Tätigkeitsberichte der letzten sechs Jahre auflisten, dürfen sie ein wenig stolz sein. Bei der Gründung 1999 konnte ein solcher Erfolg nicht erwartet werden. In gebotener Demut ist ihnen aber auch bewusst, dass noch nicht alles so läuft, wie es wünschenswert wäre. Das Schöne an der gemeinsamen Arbeit ist, dass sich immer neue Aufgaben auftun, je tiefer man in die Materie eindringt.
Besondere Befriedigung aber verspüren die Aktivisten, wenn sie merken, dass ihre Arbeit in die Breite dringt, dass Menschen mit Sammlungsstücken und Anregungen kommen, um Rat fragen und so der Heimatverein ein lebendiger Teil des Pillerseer Kulturlebens wird.

Erich Rettenwander
-Obmann-

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